Schule im Freien kann behaglicher sein, als man denkt

Auch in Amerika steht der Beginn des neuen Schuljahres an und es werden vermehrt Rufe nach Unterricht im Freien laut. Im ganzen Land benötigen Kinder und Lehrer mehr Platz, als die Schulen bieten können: Sowohl wegen des gebotenen sozialen Abstands, als auch deswegen, weil es wohl vielen Schulen an ausreichend Belüftungsmöglichkeit mangelt, um ihren Betrieb wieder aufnehmen zu können. Die Forschung hat aufgezeigt, dass Belüftung ein Schlüsselfaktor zur Verringerung der Übertragung von COVID-19 ist. Ein Bereitstellen von Flächen im Freien, sei es in stark belüfteten Zelten oder anderen Formen von überdachten Außenräumen, stellt eine durchführbare Notfallmaßnahme dar, die ernsthaft in Betracht gezogen und von den Regierungen finanziert werden muss.

Wirklich sichere Belüftungsstandards sind nicht bekannt. Zelte oder andere Freilufträume bieten Flexibilität: Gemäß dem Prinzip der Vorsorge, sorgt man zunächst für maximale Belüftung, derweil die Erforschung weiter geht. Die Zeltwände lassen sich dann absenken, um dem Raum mehr Komfort zu verschaffen, wenn wir bessere Kenntnis davon haben, was sicher ist. Zunehmendes Wissen erlaubt dann weitere kostengünstige Systeme, die eine sichere Belüftung gewährleisten und diese Räume wärmer halten, ohne eine jedoch intensive Infrastruktur zu erfordern.

Wir haben wissenschaftliche Modelle des Komforts für Menschen im Freien angewandt, um zu zeigen, dass sich mit vernünftigen, klimaspezifischen Maßnahmen Komfort und Nutzbarkeit eines „Klassenzimmers unter freiem Himmel“ schaffen lassen. In kalten Klimazonen wie dem amerikanischen Nordosten und mittleren Westen können Unterrichtsräumlichkeiten so ausgerichtet werden, dass sie, wo immer möglich, Zugang zu direktem Sonnenlicht und somit zum Heizen haben - eine Herausforderung an städtischen Standorten, die eine kreative Anordnung der Klassenräume erfordern könnte. Windschutz auf einer Seite eines Freiluftraums kann den Komfort dramatisch verbessern und dennoch sehr hohe Durchlüftung ermöglichen.

In heißen Klimazonen wie Miami und Phoenix ist eine Schule im Freien im Hochsommer kaum vorstellbar. Wenn sich aber der Herbst nähert und die Hitze nachlässt, kann ein Open-Air-Klassenraum funktionieren, solange man ausreichend Schatten bietet und eine anhaltende Brise oder Ventilatoren unterstützen. Vorausgesetzt Schüler und Lehrer tragen im Freien angemessene Kleidung, dann, so schätzen wir, ist es in einem Schuljahr von September bis Mai zu 99% der Zeit in Los Angeles, 58% der Zeit in Miami und 70% der Zeit in Phoenix behaglich genug für Unterricht im Freien. Kaltes Klima mag als Herausforderung erscheinen, aber so ein „Klassenzimmer“, versorgt mit direkter Sonneneinstrahlung, könnte für 69% des Schuljahres auch in New York City komfortabel sein.

Die Tageszeit spielt auch ein Rolle - Schulbeginn in kalten Klimazonen kann auf einen späteren Zeitpunkt am Tag verlegt werden, Unterricht während dunkler Wintermorgen sollte man vermeiden. Auch die Regionen im Süden können eine Verschiebung des Schuljahres in Erwägung ziehen. Ein Verzögern des für August vorgesehenen Schulbeginns auf später verschafft mehr Zeit, um sich vorzubereiten, und verspricht angenehmere Bedingungen, da die Hitze des Sommers nachlässt.

Dieselben Prinzipien können für Schulgebäude gelten, die gute Möglichkeiten zu natürlicher Belüftung haben. Anstatt sich ausschließlich auf mechanische Belüftungssysteme zu verlassen, die bisweilen nicht ordnungsgemäß betrieben oder gewartet werden, können Schulen mit großen Fenstern diese ganz bewusst offen halten, um für bestmögliche Belüftung zu sorgen und damit das Risiko einer COVID-Übertragung gering zu halten.

Viele sind sich einig, dass das Lernen mit Unterricht aus der Ferne nicht ganz erfolgreich war - insbesondere für die jüngsten und die am stärksten gefährdeten Schüler. Wir müssen alle Alternativen herausfinden, die einen persönlichen Unterricht vor Ort in sicherer Umgebung ermöglichen. Einfache, doch mit Vernunft durchgeführte Maßnahmen schaffen Sicherheit und Komfort für Unterricht im Freien.

Text von Erik Olsen Transsolar New York (Übersetzung Bertram von Negelein)
Foto: An Open Air Class on Day Camp Rutherford, New York (Manhattan Island) across river 1911, Bureau of Charities, Brooklyn, N.Y. Library of Congress USA.