Unsichtbare Architektur

Kuehn Malvezzi + Transsolar

Unsichtbare Architektur

Anders als man es von einer Ausstellung in einer Architektur-Galerie erwarten würde, war die von Kuehn Malvezzi und Transsolar gemeinsam realisierte Installation zwar sinnlich wahrnehmbar, aber nicht augenfällig. Dem Experiment liegt eine Architekturauffassung zugrunde, die Architektur und damit auch Stadt nicht maßgeblich über Objekte definiert, sondern die Raumwahrnehmung ins Zentrum rückt und deshalb für neue Formen der Kooperation plädiert.

Wie ein Nutzer einen Raum wahrnimmt, geht über das Sichtbare weit hinaus. Folgerichtig hätten die Besucher von „Unsichtbare Architektur“ die Ausstellung auch blind erleben können. Zu sehen waren zwei scheinbar identische Räume – gleich groß, weiß und leer. Erst durch Sprechen, Rufen oder Singen wurden die ganz erheblichen Unterschiede erlebbar. Während der eine Raum homogen und gedämpft wirkte, offenbarte der andere je nach Position im Raum unterschiedliche akustische Eigenschaften wie Nachhall, überraschende Schallübertragungen oder Verstärkungen.

Die radikal unterschiedlichen Eigenschaften der gleich aussehenden Räume waren das Ergebnis präziser Maßnahmen, die Transsolar in detaillierten Modellierungen und Simulationen untersucht hatte. In der Ausstellung als 1:1 Modell wurden diese für die Besucher unsichtbar installiert. Hinter den visuell wahrnehmbaren klaren Raumkanten verbarg sich beispielsweise eine komplexe Raumgeometrie, welche die verschiedenen Effekte des hallenden Raumes erzeugte.

Akustischer Komfort ist ein Aspekt, der in der Planung oft vernachlässigt wird. Von visuellen Ablenkungen befreit, zeigte das 1:1 Modell zusammen mit den Eindrücken der Nutzer bzw. Ausstellungsbesucher jedoch sehr gut, wie akustische Eigenschaften die Raumwahrnehmung insgesamt beeinflussen, was sich angenehm anfühlt und was weniger. Modellhaft war die Installation deshalb auch in einem viel umfassenderen Sinn: „Unsichtbare Architektur“ hat die Rollen von Architekt und Ingenieur neu verteilt.

Architektur, verstanden als eine in erster Linie räumliche Praxis, eröffnet den Weg für echte Gemeinschaftsleistungen. Die konventionelle Rollenverteilung, in der ein von Architekten geschaffenes Gesamtbild die Lösungen der Ingenieure lediglich integriert, wird zugunsten eines architektonischen und städtebaulichen Ansatzes verworfen, der sich durch die Mitautorschaft der beteiligten Planer auszeichnet.