Graue Energie und integrierter Entwurfsprozess von Gebäuden
Einem herkömmlichen Bürogebäude mit zwar wirkungsvollen, aber hochkomplexen technischen Systemen, deren Steuerung und Wartung großen Aufwand bedeutet und die zudem - bislang meist unbeachtet - einen hohen Anteil an materialgebundener Energie in sich bergen, steht ein Plan gegenüber, der auf intelligenten, stoffgerechten Einsatz sorgfältig ausgewählter Materialien setzt und damit nicht nur durch radikal vereinfachte Bau- und Herstellungsprozesse im Betrieb Energie und Kosten spart, sondern zukunftsgerecht Ressourcen schont und doch den Nutzern hochwertigen Komfort bietet: Die Bürowelt von Alnatura
In den letzten Jahrzehnten hat die Forschung im Bausektor den Schwerpunkt auf die Senkung des Energiebedarfs im Gebäudebetrieb gesetzt. Dadurch sind Gebäude entstanden, die zwar einen sehr geringen Energiebedarf im Betrieb haben (z.B. Passivhäuser), wobei deren energetischer Aufwand zur Errichtung jedoch nicht thematisiert, berechnet oder in die Konzeption integriert wurde. Eine solche Herangehensweise führt zu Entwürfen, die partiell zunehmend mehr Anlagentechnik und besondere Materialien im Gebäude verlangen. Hierbei lässt sich der gesamte energetische Aufwand für die Erstellung des Gebäudes und dessen Bestandteile nur nachträglich bewerten, erst nach Abschluss der Planungsprozesse. Komponenten mit hohem energetischen Anteil an einer Gesamtbilanz bleiben so bei der Planung unbeachtet.
«Graue Energie» zu berücksichtigen bedeutet die Kalkulation der Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und irgendwann auch Entsorgung von Produkten benötigt wird.
sowie die Betrachtung von Lebenszyklen einzelner Gebäudebestandteile gewinnen erst seit einiger Zeit an Bedeutung. Im Forschungsprojekt“ Entwicklung von Strategien zur Implementierung des Grauen Energieaufwands in den iterativen integrierten Entwurfsprozess von Gebäuden am Beispiel der Firmenzentrale „Alnatura-Welt” in Darmstadt wurden Strategien evaluiert, um den Anteil der für das Gebäude notwendigen Grauen Energie zu minimieren.
Beim Alnatura Campus in Darmstadt, einem Projekt der Architekten Haas Cook Zemmrich, wurde in der Planung besonders darauf geachtet, dass passive Maßnahmen den Aufwand an technischen Anlagen möglichst gering halten und dennoch den hohen Anforderungen an den Komfort für die Arbeitswelt gerecht werden.
Dabei sollen die an Klima und Anforderungen angepasste Strategien ein hohes Maß an Flexibilität gewährleisten sowie einen geringen Aufwand für Wartung und Revision verursachen, damit weder weitere Graue Energie noch Kosten für neue Installationen oder zusätzliche technische Anlagen anfallen.
Freiliegende Speichermassen dienen der Temperierung passiv durch Nachtauskühlung oder aktiv durch Bauteilaktivierung. Neben der Steigerung des Komforts gelingt damit auch eine Reduzierung des Energiebedarfs. Die frühzeitige Betrachtung der Grauen Energie in der Planungsphase des Vorentwurfs lenkte die weitere Planung dahingehend, dass für die Errichtung ressourcenschonende Lösungen für die Bauteile gewählt wurden. Hierfür wird die Abhängigkeit zwischen Betriebs- und Grauer Energie der verschiedenen Varianten aufgezeigt, ohne dabei die Anforderungen an das Innenraumklima zu übergehen. Im Rahmen des Projektes wurden verschiedene Varianten für die Bauteile verglichen und hinsichtlich der Grauen Energie evaluiert. Ziel war dabei, die Variante mit dem nach Kalkulation geringsten Energiebedarf in Summe umzusetzen.
Die Innovation dieses Vorhabens liegt in der radikalen Vereinfachung von Bau- und Herstellungsprozessen. Neben Energieeffizienz steht dabei eben auch im Fokus, ein ressourcenoptimiertes Gebäude zu entwickeln. Um das Regierungsziel eines CO2 neutralen Gebäudebestandes bis 2020 erreichen zu können, wird eine Implementierung der Aspekte der Grauen Energie in den Entwurfsprozess unumgänglich sein.
Diese geforderte CO2-Neutralität strebt an, grundsätzlich den Ausstoß von Treibhausgasen in allen Sektoren weitgehend zu vermeiden. Demonstriert wird dies bereits an einigen Beispielen im Bausektor durch den Einsatz rezyklierbarer, im Sinne kreislaufgerechter Materialien, verfügbarer Energiesysteme, architektonische Maßnahmen sowie erneuerbarer Energieressourcen.
Die Einbeziehung der in Materialien gebundenen Energie bei der Planung von Bau- und Sanierungsmaßnahmen nimmt zunehmend einen höheren Stellenwert ein. Wachsende Energiepreise und die steigende Nachfrage nach fossilen Energieträgern machen energieeffiziente Systeme unumgänglich; dabei sollen die Konzepte umweltverträgliche und zugleich flexiblere Bauweisen bieten. Hierzu ist nicht nur die Umstellung auf erneuerbare Energieträger zur Versorgung der technischen Systeme notwendig und eine Senkung des derzeitigen Energieverbrauchs um bis zu 70%, sondern auch die Reduktion des gesamten CO2 Ausstoßes.
Die o.g. Schilderung eines ganzheitlichen Planungsprozesses wurde auf die Konzeption des „Alnatura-Campus“ angewendet. Ziel war, der Verwaltungsbau soll durch ein optimiertes passives Gebäudekonzept mit reduzierten technischen Systeme zum Heizen, Lüften und Kühlen ein behagliches Innenklima bereitstellen. Mit thermisch dynamischen Simulationen und einer ganzheitlichen Betrachtung bereits in der Konzeptfindung, sollte ein beispielhaftes Vorgehen im Bereich Energieeffizienz aufgezeigt werden.
Dein solches Vorgehen ist dafür gedacht, bereits in einer frühen Phase der Entwurfsplanung Prognosen zum Energiebedarf im Betrieb zu ermöglichen, um in Kombination mit Betrachtungen zu Lebenszyklen und Grauer Energie einen gemeinsamen Kennwert aufzuzeigen. Dadurch ergeben sich für alle möglichen Varianten der Konstruktion jeweils ein vergleichbarer Wert zur Quantifizierung des Gesamtenergiebedarfs – also für Bau als auch Betrieb zusammen. Die jeweiligen Anforderungen an die Materialität der Fassade und der Ausbaumaterialien sind damit verknüpft.
Das Projekt eignet sich daher besonders zur Evaluierung und Ableitung von allgemeinen Strategien hinsichtlich der Potentiale Grauer Energie im Entwurfsprozess sowie in Abhängigkeit zum Aufwand für die Anlagentechnik und die Betriebsenergie.
Zusammengefassung von "Entwicklung von Strategien zur Implementierung des grauen Energieaufwands in den iterativen integrierten Entwurfsprozess von Gebäuden" Autoren: Prof. Thomas Auer, Dipl.-Ing. Arch. M. Sc. Daniele Santucci, Prof. Dipl.-Ing. Ulrich Knaack, Prof. Linda Hildebrand, M.A. (Arch) Max Ernst; Martin Haas, Christian Frenzel
Paper >